1. Ausgangspunkt
Aus gegebenem Anlass erreichen uns Anfragen von Hilfsorganisationen, die Spenden für Opfer der Flutkatastrophe sammeln. Insbesondere folgende Fragen werden gestellt:
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In welcher Höhe dürfen private Personen unterstützt werden?
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welche Voraussetzungen müssen bei der unterstützten Person vorliegen?
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Welche Voraussetzungen müssen bei der Hilfsorganisation vorliegen?
2. Vorbemerkung: Mildtätige Zwecke des § 53 AO Satzungszweck der Hilfsorganisation, die Spenden für Flutopfer sammelt?
2.1. Direkte Hilfe, nur wenn Mildtätigkeit satzungsgemäß
Grundsätzlich gilt, dass eine solche Katastrophenhilfe nach Grundsätzen des § 53 AO erfolgt. Allerdings wird die Prüfung der Gemeinnützigkeit lanciert durch eine doppelte Prüfung der so genannten Selbstlosigkeit. Selbstlosigkeit muss in der Satzung festgelegt sein, was dazu führt, dass letztendlich nur satzungsgemäße Zwecke verfolgt werden dürfen. Die Mildtätigkeit muss demnach Satzungszweck sein bei direkter Hilfe.
2.2. Indirekte Hilfe auch, wenn nicht satzungsgemäß, Ausnahme durch Katastrophenerlasse (aktueller Stand, kann erweitert werden)
Bereits bei vergangenen Hochwasserkatastrophen haben die Finanzverwaltungen großzügige „Katastrophenerlasse“ bekanntgegeben, etwa durch BMF-Schreiben des 21.06.2013, aktuell etwa den Erlass des Finanzministeriums NRW des 16.07.2021 (Änderung angekündigt). Durch diese Erlasse wurden er- hebliche Steuererleichterungen ermöglicht, etwa Abzug von Spenden durch Unternehmer als Betriebs- ausgaben, aber auch die Möglichkeit, Hilfe zu leisten, wenn Mildtätige Zwecke kein Satzungszweck ist. Aktuell (Stand 16.07.2021) ist nur die Möglichkeit gegeben, Spenden weiterzuleiten, wenn Mildtätig- keit kein Satzuingszweck der Organsiation ist. Änderung können sich durch neue Erlase ergeben.
Sieht die Satzung der Organisation demnach aktuell keine mildtätigen Zwecke vor, kann die Organisation zwar ausnahmsweise Spenden für diese Zwecke sammeln, jedoch zurzeit noch keine direkte Hilfe anbieten. Die Organisation muss sich an eine selbst mildtätige Hilfsorganisation wenden und denen die Gelder weiterleiten zur direkten Hilfe. Das heißt, die direkte Hilfe und Unterstützung kann nur von Organisationen erfolgen, die selbst satzungsgemäß mildtätige Zwecke verfolgen.
Praktisch wird damit allen gemeinnützigen Organisationen ermöglicht, Gelder für Flutopfer zu sammeln. Allerdings muss die Verwendung vor Ort von einer mildtätigen Organisation vorgenommen wer- den, was aus Gründen der Koordination und Professionalität sicher auch zu begrüßen ist. (Textziffer 2.1. des Erlass FinMin Nordrhein-Westfalen des 16.07.2021). Der Spendenaufruf und die Spendenbescheinigung muss die konkreten Zwecke – die ausnahmsweise nicht satzungszeck sein müssen – beinhalten.
2.3. Kriterium der Mildtätigkeit – Wirtschaftliche Hilfe, Hilfsbedürftigkeitsprüfung entfällt in Katastrophenfällen (§ 53 Nr. 2 Satz 3 AO)
Mildtätige Zwecke liegen vor, wenn Hilfsbedürftige Personen unterstützt werden. Dazu gibt es zwei Kriterien:
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Hilfsbedürftig sind Personen, die infolge ihres körperlichen, geistigen oder seelischen Zustands auf die Hilfe anderer angewiesen sind (so genannte „persönliche Hilfsbedürftigkeit“),
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Personen, deren Einkünfte oder Bezüge nicht höher sind als das Vierfache des Regelsatzes für Sozialhilfe (Aktuell 409 €, also 1.636 €) im Sinne des § 28 SGB XII. Dies gilt nicht bei Personen, deren Vermögen zur nachhaltigen Verbesserung des Unterhalts ausreicht. Bei Personen, deren wirtschaftliche Lage aus besonderen Gründen zu einer Notlage geführt hat, dürfen die Bezüge oder das Vermögen die genannten Grenzen übersteigen. (so genannte „wirtschaftliche Hilfsbedürftigkeit“)
Der entscheidende Unterschied zwischen beiden Arten der Hilfsbedürftigkeit liegt nach herrschender Auffassung in der Art der Unterstützungsleistung. So wird bei der persönlichen Unterstützungsleistung in der Regel keine wirtschaftliche (finanzielle) Hilfe geleistet, bei der wirtschaftlichen Hilfsbedürftigkeit jedoch schon.1 Das würde bedeuten, dass in Katastrophenfällen zunächst die wirtschaftliche Hilfsbedürftigkeit des Opfers geprüft werden müsste. Dies wird durch den Dritten Satz allerdings für Katastrophenhilfe entkräftet, so dass in Katastrophenfällen wirtschaftliche und finanzielle Hilfe geleistet werden kann, auch wenn die wirtschaftliche Hilfsbedürftigkeit nicht vorliegen würde.
2.4. Exkurs: Liegt in Katastrophenfällen keine persönliche Hilfsbedürftigkeit vor?
Aus unserer Sicht – entgegen der herrschenden Meinung - erfolgt die Unterstützung in Katastrophenfällen allerdings auch bereits durch das das erste Kriterium des § 53 AO – Personen zu unterstützen, die wegen ihres körperlichen, geistigen oder seelischen Zustands auf die Hilfe anderer angewiesen sind. Bei dieser Unterstützung wäre grundsätzlich keine Bedürftigkeitsprüfung erforderlich, aber auch keine finanzielle Hilfe möglich.
Da aber in Katastrophenfällen in der Regel auch eine Traumatisierung stattfindet, halten wir es für gerechtfertigt, auch bereits aus diesem Grund finanzielle Hilfen anzubieten. Es gibt zu dieser Meinung nach aktuellem Stand noch keine richtleriche Entscheidung, weil die Finanzverwaltungen in solchen Fällen bisher zu Recht immer großzügige Erweiterungen ermöglicht haben, siehe oben. Wir halten es aber von ganz entscheidender Wichtigkeit, dass Hilfen in solchen Fällen nicht an formalen Kriterien scheitern dürfen.
Daher vertreten wir die Auffassung, dass – wenn die Ursache der persönlichen Notlage eine Katastrophe mit der Folge einer wirtschaftlichen Notlage ist – die Beseitigung der wirtschaftlichen Notlage ursächlich für die Beseitigung der persönlichen Hilfsbedürftigkeit sein muss und daher wirtschaftliche Hilfe zur persönlichen Hilfsbedürftigkeit gegeben ist.
3. Handlungsempfehlungen (nicht abschließend)
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Direkte Hilfe nur von Organisationen, deren Satzungszweck Mildtätigkeit ist.
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Indirekte Hilfe und Spendenaufrufe von allen Organisationen möglich, aber unter gesonderten Auflagen: Erwähnung im Spendenaufruf, in der Spendenbescheinigung und zweckidentische
Weiterleitung an eine mildtätige Organisation (Änderungen möglich).
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Keine Hilfsbedürftigkeitsprüfung erforderlich bei Katastrophe
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Empfehlung bei größeren Unterstützungsleistungen: Überkompensation beachten, Betroffenheit bzw. Hilfsbedürftigkeit vom Ortsvorsteher bestätigen lassen, möglichst konkrete Dokumentation beifügen und spätere Abrechnungs- bzw. Auskunftspflicht vereinbaren, möglichst Förderbescheide erstellen
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Immer: Eigene Kriterien erstellen, Vier-Augen-Prinzip
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Ergänzung: Wenn im Förderbescheid eine Überkompensation vereinbart wird, das heißt, eine
mögliche Rückzahlungsverpflichtung, sofern zu viele Hilfen und Förderungen, Versicherungserstattungen vorliegen, kann durchaus großzügig verfahren werden. Darüber hinaus sollten Spendenorganisationen immer auch die Möglichkeit vorsehen, aus freien Rücklagen Beträge zu entnehmen, für die die strengen Verwendungskriterien nicht gelten.
1 Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, Tz 166 zu § 3 mit weiteren Nennungen
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